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Patientendaten-Schutzgesetz: Andreas Strausfeld im Interview mit dem Handelsblatt

Was ist eigentlich die Meinung von BITMARCK zum Referentenentwurf des Patientendaten-Schutzgesetzes? Andreas Strausfeld, Vorsitzender der Geschäftsführung, äußert sich unter anderem dazu im aktuellen Interview mit dem Handelsblatt:

Herr Strausfeld, Minister Spahn hat den Entwurf zum „Patientendaten-Schutzgesetz“ vorgelegt. Sie entwickeln die elektronische Patientenakten für mehr als 80 Krankenkassen. Sind für Sie mit dem Gesetzesentwurf alle Voraussetzungen für den pünktlichen Start der Akte 2021 erfüllt?

So ist es – falls es keine gravierenden Änderungen am Entwurf mehr gibt. Zwischen März und April wird die erste Version der Software für die Patientenakte fertiggestellt sein, sodass wir die ersten Tests durchführen können. Sobald diese abgeschlossen sind, können wir in das Zulassungsverfahren von der Gematik starten. Bislang sieht das alles gut aus, sodass wir den Start pünktlich hinbekommen werden. Wir begrüßen es zudem, dass der Referentenentwurf keine Änderungen des ursprünglich geplanten Berechtigungskonzepts vorsieht.

Im ersten Jahr sollen demnach entweder alle oder kein Behandler die Daten des Versicherten einsehen können. Erst ab 2022 dürfen Versicherte entscheiden, wer was sieht. Ist die Forderung des Patienten, einem Arzt nicht alles zeigen zu wollen, berechtigt?

Absolut, das muss auf jeden Fall umgesetzt werden. Aber ich glaube, es ist richtig, jetzt überhaupt einmal anzufangen. Denn: Sollte das individuelle Zugriffsrecht im weiteren Gesetzgebungsverfahren doch noch ab 2021 verpflichtend werden, muss ich ganz ehrlich sagen: Dann ist 2021 völlig utopisch. Wir haben das Berechtigungskonzept entsprechend der bisher formulierten Anforderungen entwickelt. Das bedeutet, dass im ersten Jahr entweder alle oder kein Behandler die Daten des Versicherten einsehen kann.

Aber wird mit dem Fehlen des individuellen Zugriffsrechts das Image der Patientenakte nicht gleich zum Start verbrannt?

Nein, aber die Gründe dafür müssen ausreichend kommuniziert werden. Wenn man jetzt den Druck wieder herausnimmt, startet die elektronische Patientenakte auch nicht 2022 und wir kommen wieder in die Spirale der Verzögerungen. Dann laufen wir Gefahr, dass Interessengruppen zusätzliche Forderungen einbringen.

Werden durch das eingeschränkte Berechtigungskonzept weniger Versicherte die elektronische Patientenakte nutzen?

Das hängt von sehr vielen Faktoren ab. Am Ende spielt der persönliche Mehrwert für den Versicherten und die Kommunikation aller Beteiligten eine wesentliche Rolle. Nach unserer Einschätzung wird die Zahl der Versicherten mit dem Ausbau der Funktionen stetig steigen. Wir gehen davon aus, dass im ersten Jahr 500.000 der insgesamt 25 Millionen Versicherten, die unsere Akte angeboten bekommen, diese auch nutzen werden. Für 2022 liegt unsere erste grobe Schätzung bei 1,5 Millionen Nutzern.

Neben der Kommunikation: Welche Regelungen könnten für eine bessere Verbreitung der elektronischen Patientenakte sorgen?

Wenn wir den Starttermin 2021 reißen, müssten unsere Krankenkassen insgesamt Strafen in Höhe von mehr als einhundert Millionen Euro zahlen. Solche Mechanismen gibt es auf der Seite der Leistungserbringer nicht.

Ärzte werden ja bereits sanktioniert, wenn sie sich nicht an die Telematikinfrastruktur anbinden. Über dieses System läuft auch die elektronische Patientenakte. Ihrer Ansicht nach müssten Ärzte also darüber hinaus sanktioniert werden, wenn sie trotz des Wunsches eines Patienten keine Daten in der Patientenakte hinterlegen? Im Gesetzentwurf hingegen ist vorgesehen, Ärzte für die Befüllung der Akte zu vergüten.

Grundsätzlich hat der Versicherte ein Recht auf Befüllung seiner Patientenakte. Aber kein Patient wird seinen eigenen Arzt verklagen. 2021 sollte man das Thema noch ruhig angehen. Ab 2022 sollten Ärzte aber stärker in die Pflicht genommen werden.

Bevor die gesetzliche Pflicht zur elektronischen Patientenakte kam, haben Bitmarck und ihre Krankenkassen den Versicherten bereits die elektronische Gesundheitsakte Vivy angeboten. Für die Finanzierung von Gesundheitsakten entfällt nun die Finanzierungsgrundlage. Was wird aus Vivy?

Darüber wird im Moment intensiv beraten und nicht direkt von uns entschieden. Für Bitmarck kann ich nur sagen, dass wir einen laufenden Vertrag mit Vivy haben und diesen auch erfüllen wollen. Wenn eine unserer Krankenkassen Vivy also neben der elektronischen Patientenakte anbieten will, steht ihr das frei.

 

Quelle: Handelsblatt online, 03. Februar 2020